Ev.-luth. Fabian-und-Sebastian-Kirche https://kirche-suelze.de Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit Sun, 24 Nov 2024 20:45:10 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.8.3 https://kirche-suelze.de/wp-content/uploads/2020/11/cropped-FaviconKirche2020-1-32x32.png Ev.-luth. Fabian-und-Sebastian-Kirche https://kirche-suelze.de 32 32 Singen von Gott https://kirche-suelze.de/singen_von_gott/ Sun, 24 Nov 2024 20:44:53 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=5351

„Warum singen wir hier immer von Gott?“ platzt es aus Anne* heraus. Schon vorher hatte ich beobachtet, wie es in ihr arbeitet. Falten auf der Stirn. Unruhiges Zappeln auf dem Stuhl. Nun war es heraus. Und ich auf der Suche nach einer guten Antwort gefordert. „Weil wir hier bei Kirchens sind“, wäre keine gute Antwort. So als wäre es nur da wichtig Gott zu loben oder Ihm Raum zu geben.

Die Frage hat mich getriggert. Warum Gott? Warum Gott für Kinder? Warum Gott bei Kirchens und im Alltag: Warum Gott? Ist das mit dem Glauben und Gott nicht sehr fragwürdig?

Ja, ist es! Es ist „frag“-würdig! Es ist durchaus wichtig und im tiefsten Sinne würdig über diesen Gott nachzudenken. Denn was über ihn berichtet wird, ist großartig, unfassbar großartig. Besonders zu Weihnachten wird mit Überzeugung und unerschrocken erzählt: Gott ist da! Gott ist nah! Nicht in den Höhen des Himmels suchen. Nicht weltabgewandt. Nicht weltfremd. Sondern ganz nah. So nah, dass Ochs und Esel ihren wärmenden Atem über ihn pusten können. So nah, dass Schaf und Ziege an ihm schnuppern können.

Ist das nicht dreist und frech, so über Gott zu erzählen? Der Schöpfer des Weltalls zum Anfassen im Stall! Nein. Das ist so schön, so berührend, so menschenwürdig, dass ich anbetend niederknie. Gott zum Anfassen. Berührbar und somit auch verwundbar. Zum Herzen und Liebhaben.

Darum kann diese Geschichte zu Weihnachten auch nur mit Sterngefunkel und Engelsgesang erzählt werden. Mit bewegten Hirten, die ihre Schafe allein lassen und Weisen, die hunderte Kilometer reisen, das zu sehen. Mit Josef, der zum besten Adoptivvater wird und Maria, die Mutter Gottes. Und ein neugeborenes Kind. Wie unsagbar schön und bewegend. Da jubelt Herz und Mund. Ach ja, Mund. Da war doch noch die Frage: „Warum singen wir hier immer von Gott?“

Liebe Anne*, weil es die schönste und reinste Wahrheit ist, dass Gott uns so nah kommt, dass wir ihn in einem Kind entdecken können. Darüber muss ich immer singen. Allein und am allerliebsten mit euch hier im Chor!

*Name geändert

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Karfreitagsplädoyer https://kirche-suelze.de/karfreitagsplaedoyer/ Fri, 29 Mar 2024 18:38:13 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=5359
Jesus hängt am Kreuz. Der Evangelist Lukas zitiert drei seiner letzten Aussprüche. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Zum reumütigen Verbrecher an seiner Seite sagt er: „Wahrlich, ich sage dir: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ Und zuletzt betet er: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Diese drei Worte bilden eine Verteidigungs­rede für die Menschheit. Um das Bild einer Gerichts­verhandlung zu gebrauchen: Sie sind wahrscheinlich das einzig stichhaltige Plädoyer für uns Menschen. Dieser Anwalt redet nicht nur, er setzt sich mit seinem eigenen Leben für seine Klienten ein. Seine Verkündigung und sein Tun sind eine voll­kommene Einheit.

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ So tritt Jesus als Anwalt der Menschheit auf, ohne auf Unschuld zu plädieren – das wäre angesichts der Fakten unmöglich. Sein Plädoyer lautet vielmehr: „Vater, vergib ihnen!“ Er fordert keinen Freispruch aufgrund fehlender Beweise, denn die Beweis­lage ist überwältigend. Als wahrhaftiger Anwalt strebt er nicht nach mildernden Umständen. Wir haben alle genug auf dem Kerbholz, aber wir hoffen immer, dass uns von irgend­woher und irgendwie und irgendwann mildernde Umstände zugebilligt werden.

Nein, dieser Anwalt plädiert auf etwas, das völlig anders ist als unsere üblichen Erwartungen und Vor­kehrungen und vielleicht am ehesten einer Amnestie ähnelt: Er plädiert auf Vergebung! Vergebung kommt in juristischen Verfahren normaler­weise nicht vor. Was soll das sein vor Gericht: Vergebung? Aber für unsere Lebens­grundlage als Menschen ist dies die einzige tragfähige Basis. Neu anfangen auf bereinigter Flur. Hinter uns lassen, was wir sonst ständig mit uns herum­schleppen müssten. Als freie, begnadete Menschen ein getrostes Leben führen.

Diese Grundlage legt Jesus für uns. Der Verbrecher neben ihm erfährt diese Liebe am eigenen Leib: „Wahrlich, ich sage dir: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ Heute – das meint keinen Tag im Kalender.

Das meint: Jetzt bist du frei und unbelastet, jetzt bist du deine Schuld los, jetzt hast du eine neue Unschuld. Was sich zwischen Jesus und diesem anderen Gekreuzigten abspielt, lässt einen vor Rührung und Scham verstummen. „Wahrlich, ich sage dir: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ Da bleiben einem die leichten Selbst­recht­fertigungen im Halse stecken. Das Paradies ist ein wunderschönes Bild. Der Ort derer, die vor Gott in Freiheit und Freude leben, frei­gesprochen von all ihrer Last und Schuld.

Gegen Ende seines Leidens am Kreuz sagt Jesus: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Das lebt vom völligen Vertrauen. Kein Graben ist hier zu erkennen, sondern nur Einheit und Ver­bundenheit. Jesus hat uns den Weg frei gemacht, dass wir ihm dieses Wort nach­sprechen können in der Stunde unseres Sterbens. Die Vergebung wartet auf uns. Darum ist es gut, wenn wir dies dritte Kreuzes­wort auswendig wissen. Es wird einmal unser wichtigstes Wort sein.

Vollkommene Einheit herrscht in jenem Plädoyer für die Menschheit zwischen dem Wort und dem persönlichen Einsatz des Anwalts. Er hält sein Plädoyer, obwohl ihm sein Klient dauernd das Mandat entziehen will und höhnische Rat­schläge gibt: „Steig herab vom Kreuz! Hilf dir selbst!“ Der Anwalt hält durch. Seine Antriebs­kraft ist die Liebe. Jesus hat kein böses Wort für die Jünger, die ihn im Stich lassen. Nicht einmal für den Übel­täter, der sich über ihn lustig macht.

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Drei Worte, die den Karfreitag zu Recht zu einem der höchsten christlichen Feiertage machen.

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Geschichtenschatz https://kirche-suelze.de/geschichtenschatz/ Thu, 11 Jan 2024 13:01:58 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=5275

Wir alle tragen einen bunten Strauß an Erinne­rungen mit uns, von den ersten Schwimm­versuchen bis zu den Abenteuern von Pippi Langstrumpf und den Drei Frage­zeichen. Ich erinnere mich noch lebhaft an das Gefühl, als ich meinen Ausweis für die Bücherei bekam – fast so aufregend wie ein Reise­pass. Unsere Erinne­rungen sind eine bunte Mischung aus gestern und vorgestern, von der ersten Flug­reise bis zur Blinddarm-OP. Sie umfassen die merk­würdige Tante, das Nachbars­mädchen und zahl­reiche Lieder, deren Text wir im Radio immer falsch verstanden haben. Unsere Erinne­rungen sind so einzig­artig wie wir selbst und prägen uns tief­greifend.

Ich höre gern zu, wenn Menschen mir ihre Geschichte erzählen. Dann tauche ich in ihre Lebens­welt ein. Ich denke an die Frau, die sich durch eine Jugend voller Ableh­nung und Krimina­lität zu einem vertrauens­vollem Menschen entwickelt hat. Oder an den Mann im fortgeschrittenen Alter, der sich als Fahrer für die Tafel zur Ver­fügung stellt. Durch das Erzählen werden ihre Schilde­rungen fast zu meinen eigenen Erleb­nissen.

Dann gibt es Geschichten, die nicht uns selbst wider­fahren sind, sondern die von Gene­ration zu Gene­ration weitergegeben werden. Erzäh­lungen, die älter sind als wir, von Schöpfung, Wundern, Freiheit, Güte und großen Ideen. Solche Geschichten brauchen eine Gemein­schaft, die sie am Leben hält, zum Beispiel die Kirchen­gemeinde. Die Über­lieferung wird in vielen Bildern lebendig gehalten: Regen­bogen, Sterne, Wind, Kinder, Brunnen und Brot, Milch und Honig. Tische, an denen Menschen aus allen Himmels­richt­ungen sitzen. Der Stein, der weg­gerollt wird. Der neue Himmel und die neue Erde. Schwerter, die zu Pflug­scharen werden. Das sind gute Worte, die wir uns selbst nicht sagen können, wie „Deine Sünden sind vergeben“ oder „Fürchte dich nicht!“

Ja, manchmal können Worte staubig sein. Die Worte der Tradi­tion sind oft sperrig, ver­schroben, absurd, fremd – kein Wunder, sie sind uralt! Manche brauchen ihre Zeit, um ver­ständlich zu werden. Sie sind fremd, und gerade deshalb unter­brechen sie unseren Alltag. Aber wenn die heiligen Worte nicht mehr zu uns sprechen, wird irgend­wann auch der Traum von Frieden, Gerech­tigkeit und Geborgen­heit verschwinden.

Wir lernen aus Geschichten. Vorge­lesen, über­liefert, selbst erlebt, schildern sie ein anderes, ein richtig gutes Leben. Sie wecken Mut, verzaubern uns mit ihren Bildern. Mit alten, weisen Worten wird die Welt verständ­licher und gibt uns selbst einen Platz im Größeren, im Heiligen. Geschichten lehren uns zu glauben, zu lieben, zu hoffen. Wir bereiten uns auf Wunder vor, und unsere Zag­haftigkeit wird bald vom Mut übertroffen. Wir werden satt, stark, friedlich, Mit­glied einer verschworenen Bande.

in jeder Epoche werden neue Geschichten geboren, die es wert sind, erzählt zu werden. So wie die Kirche die alten Sinn­geschichten bewahrt, so müssen wir die neuen schützen und weitergeben. Alle teilen sich das Herzstück der Menschlichkeit – das Streben nach Sinn, Verbunden­heit und Hoffnung. Und während ich an den Tag zurück­denke, an dem ich meinen ersten Bibliotheks­ausweis in den Händen hielt, frage ich mich: Welche Geschichten werden wir weitererzählen? Welche neuen Abenteuer, Lebens­lektionen und Weisheiten werden wir hinzufügen? Jedenfalls können die Drei Frage­zeichen und Pippi Lang­strumpf mit dem Barm­herzigen Samariter und dem Verlorenen Sohn für unseren Herzens­schatz gemeinsame Sache machen, ebenso jeder Gottesdienst und jedes „Der Herr segne dich und behüte dich“.

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Verblüffende Sockenmomente https://kirche-suelze.de/verblueffende-sockenmomente/ Sat, 17 Jun 2023 07:46:48 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=5147

Aurelia steht vor der geöffneten Schublade mit ihren Socken. Ein Meer aus Farben und Mustern. Jeden Morgen das gleiche: Was ziehe ich an? Plötzlich spürt sie, wie ihre Hand zu einem bestimmten Paar hingezogen wird. Sie greift es heraus und stutzt. Es ist ein ungleiches Paar aus einer gestreiften Socke und einer Einhorn-Socke ihrer Tochter. Ein Grinsen breitet sich auf Ihrem Gesicht aus. Warum eigentlich nicht? Heute hat sie Lust, diesen außergewöhnlichen Look zu tragen.

Woher kam diese Intuition? Sie hat keine Ahnung, Irgendwie scheint das Leben ihr heute zu sagen: „Hey, warum immer so ernst? Würz deinen Tag doch mit einer Prise Verrücktheit!“

Manchmal braucht es solche kleinen Augenblicke, um uns aus der grauen Routine des Alltags herauszuholen. Vielleicht ist so eine spontane Eingebung ein spielerisches Augenzwinkern des Himmels.

In der Bibel gibt es zahlreiche Geschichten, in denen Gott auf unkonventionelle Weise handelt. Er erwählt Hirten zu Königen und spricht durch Esel zu Menschen. Dadurch zeigt er uns, dass sein Plan oft die Grenzen unserer Vorstellungskraft übersteigt und dass es grundsätzlich eine gute Idee ist, dem Leben mit einem Lächeln zu begegnen.

Der ungeplante Griff zu den verschiedenen Socken ist ein absurder Moment. Wer weiß, vielleicht ist Gott selbst in dieser wilden Mischung zugegen, um Aurelia ein Lächeln zu entlocken und sie daran zu erinnern, dass das Leben voller Überraschungen ist. Nach dem Motto: Folge deiner Intuition – sie ist die beste Komikerin, die du je erleben wirst.

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Das Gebet des Verzichts https://kirche-suelze.de/das-gebet-des-verzichts/ Tue, 31 Jan 2023 18:16:54 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=5125

Folgende Schil­derung über Gebets­erleb­nisse habe ich vor vielen Jahren in meinem Gedanken­buch aufge­schrieben, irgend­woher zitiert. Als ich jetzt wieder einmal darin las, war ich aufs Neue fasziniert. Ich habe nach­geforscht: Die Beschrei­bung stammt von der ameri­kanischen Autorin Catherine Marshall und ist ihrem Buch „Adventures in Prayer“ (1975) entnommen. Ich konnte im Internet den englischen Original­text ausfindig machen und noch einige Unklar­heiten in der Über­setzung klären. Hier für Sie die nach­denkens­werten Worte von Catherine Marshall.

Als ich anfing, aktiv mit dem Gebet zu experi­mentieren, hatte ich wie die meisten Menschen viele Fragen: Warum werden einige Gebete erhört und andere nicht? Heute habe ich zwar immer noch Fragen. Die Geheim­nisse des Gebets sind größer als die Klärungen. Aber eines habe ich gelernt: Es gibt eine Art zu beten, die zu wunder­baren Ant­worten führt und Kräfte freisetzt, die das menschliche Vor­stellungs­vermögen übersteigen. Es ist das Gebet des Verzichts.

Im Herbst 1943 bekam ich einen ersten Eindruck davon. Ich war damals seit sechs Monaten an einer verbrei­teten Lungen­infektion erkrankt, einer Art Tuberkulose, und eine ganze Reihe von Spezia­listen konnte mir nicht helfen. Ich lag fest im Bett.

Eines Nach­mittags wurde mir eine Broschüre in die Hand gedrückt. Es war die Geschichte einer Missio­narin, die acht Jahre lang krank gewesen war. Ständig hatte sie gebetet, dass Gott sie gesund machen möge, damit sie in ihrem Missions­dienst fortfahren könne. Vom vergeblichen Bitten erschöpft, betete sie schließlich: „Na gut, Herr, wenn du willst, dass ich weiter krank sein soll, dann ist das eben dein Wunsch. In jedem Fall bist du mir wichtiger als meine Gesund­heit. Die Ent­scheidung liegt bei dir.“ Zwei Wochen später konnte die Frau das Bett verlassen. Sie wurde voll­kommen gesund.

Ich war skeptisch; es schien mir alles zu glatt zu gehen. Doch ich konnte die Geschichte nicht vergessen. Am Morgen des 14. September – das werde ich nie vergessen – war ich soweit, mich mit meinem Schicksal abzufinden. „Ich bin vom vielen Bitten müde“, war der Kern­gedanke meines Gebets. „Ich bin erledigt, ich kann nicht mehr. Gott, entscheide du, was für den Rest meines Lebens mit mir geschehen soll.“ Tränen flossen. Ich hatte keinen Glauben von der Art, wie ich mir Glauben vorstellte. Ich erwartete nichts. Das Auf­geben meines kranken Ichs erfolgte ohne jede Spur gläubiger Demut. Und doch war es, als hätte ich einen Schalter umgelegt. Die Fenster des Himmels öffneten sich. Als strömte aus einem Dynamo himmlische Kraft auf mich, erlebte ich die Gegen­wart des lebendigen Christus auf eine Weise, die alle Zweifel auslöschte und mein Leben auf den Kopf stellte. Von diesem Moment an begann ich zu gesunden.

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Öde mit Gott https://kirche-suelze.de/oede-mit-gott/ Sat, 29 Oct 2022 17:36:35 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=5009

Ist der christliche Glaube nur etwas für extreme Zeiten? Für Kata­strophen und Glücks­phasen hält der Glaube offen­sichtlich passende religiöse Stimmungen bereit. Sie heißen Trost und Dank­barkeit. In der Not kann sich der religiöse Mensch mit Psalm 23 sagen: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück“. In der Freude kann seine jubelnde Seele sich mit Psalm 103 zu den Worten auf­schwingen: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Im Leid den Trost, im Glück die Dank­barkeit. Für die Extre­me ist gesorgt.

Was ist aber mit den vielen Zeiten ohne beson­dere Prägung? Die meisten Tage leben wir gefühls­mäßig so dahin, im Grunde zufrieden, wohl mal beun­ruhigt über dies und das, aber weder in großer Not noch in Euphorie und Über­schwang. Es ist der immer gleiche Alltags­trott zwischen Essen, Arbeit und Schlafen, bestehend aus Garten­arbeit und Kinder­betreuung, Auto­fahren und Putzen. Das Herz mag mal zufriedener und mal unzufriedener sein, der Körper mal erschöpfter und mal ausgeruhter – aber von den extremen, aufwüh­lenden Ereig­nissen, die uns quasi von selbst in eine religiöse Stimmung versetzen, sind wir meistens entfernt. So kommt es, dass auch bei gläubigen Menschen über weite Strecken ihres Alltags die Gottes­beziehung ein Schatten­dasein führt. Nicht aus bösem Willen, sondern einfach aus mangelnder Vorstellungskraft, wie mit „lang­weiligen Zeiten“ religiös ange­messen umzu­gehen sei. Ein Glaube, der seine Aussagen offenbar nur für Feste oder Krisen reserviert, muss zwischen­durch ungenutzt verkümmern. Es sei denn, wir finden heraus, wie eine religiöse Praxis aussehen könnte, die auch in der Wüste funktio­niert.

Wichtig ist zunächst die Fest­stellung: Gott kennt uns und macht keine Leistungs­schau aus unserem Gebets­leben. Wir müssen nichts Groß­artiges produzieren. Es ist grund­sätzlich okay, auch mal weniger zu beten oder nicht richtig bei der Sache zu sein. Wir dürfen aber mit dem Heiligen Geist rechnen, der es schafft, selbst in solchen sprach­losen Zeiten unser Beten oder Nicht-Beten für Gott zu übersetzen. Römer 8,26 sagt: „Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen. Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet in ange­messener Weise vor Gott bringen. Doch der Geist selbst tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein. Dies geschieht in einer Weise, die nicht in Worte zu fassen ist.“ Soll heißen: Schon die Sehnsucht nach einem Gebet kann zum Gebet werden. Jedes Seufzen, dass die Langweiligkeit beklagt, und jedes ehrliche „Ach, Gott“ ist bereits ein Gebet, weil der heilige Geist es benutzen kann. Manchmal ist es gut, sich selbst sagen zu können: Ich finde gerade keine Worte. Aber ich seufze einmal kräftig vor Gott, und er wird es verstehen.

Zweitens hilft ein regel­mäßiges Ritual über öde Zeiten hinweg. Wer immer nur mit Gott spricht, „wenn ihm danach ist“, hat oft wenig Anlass. Anders der Mensch, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, jeden Tag eine bestimmte Zeit für Gott zu reser­vieren. Unsere katho­lischen Geschwister haben in dieser Hinsicht einen Vorteil: Sie haben Rituale gelernt (z. B. das Rosen­kranz­gebet), die sie unabhängig von Gefühlen zu festen Zeiten durch­führen können. Sie können sich dabei in Auswendig-­Gelerntes fallen lassen und müssen nicht kreativ sein. Geistliche Coaches betonen oft, dass Beten vor allem im „Machen“ besteht, nicht in der Origi­nalität. Davon können wir durchaus lernen. Neben dem Vater­unser, das immer zum Beten geeignet ist, bietet es sich vielleicht an, ein zweites Gebet auswendig zu lernen, das man an jedem Abend betet. Die Worte sollten so gefasst sein, dass viele Ereig­nisse des Tages hinein passen. Dann muss man nie überlegen, wie Nähe zu Gott heute herge­stellt werden könnte, sondern man „macht“ es einfach und spricht mit innerem Ernst die aus­wendig gelernten Worte. Eine solche regel­mäßige Übung übertrifft den Wert der Sponta­neität um ein Weites, denn sie sinkt tief ins Leben hinein. Sie trägt wie eine Hänge­matte durch die Dürrezeiten, bis irgendwann wieder der nächste Gipfel kommt.

Zwei Text­vorschläge möchte ich dafür machen, einen kürzeren und einen längeren. Auswendig­lernen ist unbedingt empfehlens­wert. Damit man auf die Eingangs­frage „Ist der christliche Glaube nur etwas für extreme Zeiten?“ antworten kann: Das war zwar bei mir einmal so, aber es hat sich geändert!

Herr,
in deine Hände lege ich meine unruhigen Gedanken,
meine wirren Gefühle, mein Leben.
In deinen Schoß lege ich meinen müden Kopf,
die Früchte meines Tuns, meine Sorgen.
Unter deinen Mantel lege ich meinen schutzlosen Leib,
meine verwundete Seele, meinen angefochtenen Geist.
In deine Hände lege ich meine Freunde, meine Feinde, mein Leben.
Amen.

(Anton Rotzetter)

Gott,
du allein weißt, was dieser Tag wert war.
Ich habe vieles getan und vieles versäumt.
Ich habe vieles versucht und vieles nicht vollendet.
Ich habe aus Unglauben gehandelt und entschieden
und bin den Menschen viel Liebe schuldig geblieben.

Ich möchte allen vergeben, die mir Unrecht getan haben.
Ich möchte von allem Hass, allem Neid
und aller Verachtung frei sein.
Vergib du auch mir alle meine Schuld.
Ob dieser Tag Frucht gebracht hat, weiß ich nicht.
Du allein siehst es.
Du allein kannst meine Mühe segnen.

Gott, ich kann dir nichts geben
zum Dank für diesen Tag,
als dass ich den kommenden aus deiner Hand nehme.
Gib mir einen neuen Tag und verlass mich nicht.
Ich danke dir in dieser Abendstunde,
dass du mich heute behütet hast.

Behüte alle, denen ich heute begegnet bin,
gib das Licht deiner Liebe allen, die ich liebhabe,
und allen, deren Last ich tragen soll.
Dein bin ich
im Licht des Tages und im Dunkel der Nacht,
bis du mich heimrufst
in deinen Frieden.
Amen.

(Jörg Zink)

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Inneres Staubwischen https://kirche-suelze.de/inneres-staubwischen/ Fri, 06 May 2022 18:24:19 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=4958
Staub ist echt lästig. Was nicht alles einstauben kann! Bild­schirme, Klavier­deckel, Autos bei Trocken­heit, Heiz­körper, sogar unsere Seele. Jesus hat deutlich gemacht, dass auf die Seele Staub am aller­wenigsten gehört. Seelen­staub entsteht aus Über­bleibseln von ärger­lichen oder miss­glückten mensch­lichen Begeg­nungen.

Einmal schickte Jesus seine Jünger mit dem Auftrag los, im Namen des Evange­liums Menschen zu heilen, aufzu­bauen und zu segnen. Dazu sollten sie durch die Dörfer und Städte ziehen. Er wusste, dass einige Leute sie will­kommen heißen würden, andere nicht. Er sagte: Wenn man euch will­kommen heißt, freut euch und dankt dafür. Dann gab er ihnen als Rat­schlag mit: „Wenn man euch aber nicht auf­nimmt und eure Worte nicht hören will, geht weg aus jenem Haus oder aus jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen!“ (Matthäus 10,14)

In biblischen Zeiten wurden Gäste, die Unter­kunft oder Schutz suchten, grundsätzlich mit Freund­lichkeit und Respekt behandelt. Das gebot die orien­talische Kultur der Gast­freund­schaft. Die erste Aufgabe jedes Gastgebers war, die staubigen Füße der Ankömm­linge zu säubern. Wer diese Freund­lich­keit erfuhr, wusste, dass er oder sie willkommen war. Aber nicht jeder fand unge­betene Gäste gut, und nicht jeder wollte Hilfe annehmen oder gar eine Predigt hören. Es konnte also sein, dass die Jünger zu hören bekamen: „Danke, keinen Bedarf. Geht weg, ich brauche euch nicht und will euch nicht.“ Wenn sie auf diese Weise abgelehnt würden, sollten sie laut Jesus die Kränkung der Ableh­nung hinter sich lassen, indem sie symbolisch den Staub von den Füßen schüttelten.

Das ist eine ganz andere Heran­gehens­weise, als man normaler­weise erwarten würde. Den Staub abschütteln bedeutet, keinen Zorn zu zeigen, nicht zu schimpfen, ironische Sprüche zu machen oder Rachegelüste zu hegen. Es bedeutet, weder rumzu­meckern noch auf die Tränen­drüse zu drücken, um Mitleid zu erregen. Modern gesprochen: Staub abschütteln heißt, seine verletzten Gefühle nicht auf Instagram oder Twitter zu posten und hinaus­zuposaunen, wie undank­bar die Welt ist.

Jesus meinte wohl: Wenn ihr freundlich und zuvor­kommend seid und ehrliche Absichten habt und trotzdem Leute euch angreifen, euch lästig finden oder sich über euch beschweren, dann dreht euch um und geht. Seid dabei nicht unhöflich oder wütend. Das hat etwas mit geistlicher Reife zu tun. Lernt, eure innere Haltung und eure Güte mitzunehmen und den „staubigen“ Teil hinter euch zu lassen.

Wenn Sie den Staub einer Kränkung mit sich herum­tragen, schütteln Sie ihn ab und lassen Sie ihn zurück! Keine Wut, keine Enttäuschung, keine halblauten Flüche, keine Rache. Das brauchen Sie nicht. Schütteln oder wischen Sie ihn einfach weg und gehen Sie weiter – in Frieden. Wenn Sie dann immer noch wütend oder nachtragend sind, haben Sie den Staub mitgenommen.

Ich glaube, ich sollte mir ein inneres Staub­tuch für alle Tage zulegen.

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Stürmische Nacht https://kirche-suelze.de/stuermische-nacht/ Sat, 19 Feb 2022 08:22:09 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=4799

Wenn es im Norden weht, dann richtig. Wir können uns heute Morgen nur einreihen in die Liste derer, die durch die Orkan­tiefs „Ylenia“ und „Zeynep“ Schäden zu verzeichnen haben. Bei Tages­anbruch klaffte im Kirchen­dach ein großes Loch. Etliche Dach­pfannen waren durch den Sturm gelöst worden und sind heruntergestürzt. Nach der ersten Inspektion des Dach­bodens haben wir die Hoffnung, dass es nicht zu großen Wasser­schäden im Inneren der Kirche gekommen ist oder kommen wird. Der Dach­boden ist zwar nass, aber offensichtlich nicht allzu gravierend. Wir werden sehen. Das Dienst­fahrzeug der Sozial­station, das auf dem neben­liegenden Park­platz steht, wurde von den herab­fallenden Dach­pfannen nicht getroffen. Mittler­weile baut bereits die Dachdecker­firma ihr Gerüst auf, um die Schadstelle zu sichern und abzudichten.

Auf unserem kirchlichen Friedhof sind Bäume umgestürzt, Baum­kronen abgebrochen und lose Teile durch die Gegend geflogen. Auch da setzt heute das große Aufräumen ein.

Wir sind sehr dankbar für die Feuer­wehren, die die Nacht durchgewacht und etliche Einsätze gefahren haben, sowie für die Hand­werker­firmen und alle hilfsbereiten Nachbarinnen und Nachbarn, die jetzt überall mit anpacken. Gott sei Dank!

[Nachtrag am Abend: Das Dach ist wieder dicht. Es fehlt nur noch der Verstrich von innen. Alles hat prima und schnell geklappt. Toll!]

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Warum sind Esel störrisch? https://kirche-suelze.de/warum-sind-esel-stoerrisch/ Wed, 08 Dec 2021 11:37:39 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=4746
Echt? Eine Geschichte für Kinder hier im Kirchen­blog? Ja, denn manche Geschichten tun einfach auch der erwachsenen Seele gut. Mir wurde die Geschichte von Pastor Lamprecht aus Hermanns­burg 1982 geschenkt. Sein damals 10-jähriger Sohn hatte sie geschrieben:

Auf der Wiese am Bach stand der Esel. Er stand da den ganzen Tag, wenn es nicht gerade etwas zu tragen gab. Auch kamen die Kinder zu Besuch und spielten mit ihm.
Eines Tages war der Esel verschwunden.
„Geklaut“, sagte der Bauer.
„Weggelaufen“, sagte sein kleiner Sohn und weinte.
In Wirklichkeit war es so: Der Esel stand eines abends vor seinem Esel­stall und starrte in den Sternen­himmel. Ganz still geworden war es im Dorf. Der Esel starrte auf den Großen Wagen, der funkelnd und weit am Himmel leuchtete. Der Esel wusste nicht, wie ihm geschah. Er wurde von einer unwider­steh­lichen Lust gepackt, einen solchen Wagen einmal zu ziehen. Wie herrlich muss das sein, dachte er, einen so prächtigen Wagen zu ziehen anstelle der Karren im Dorf oder der Torf­säcke, die er so manches Mal zu schleppen hatte.
Als diese Gedanken in seinem Kopf herum­wirbelten, war er auch schon über alle Berge. Im Galopp lief er durch Wälder und Dörfer. Über alle Grenzen rannte er ohne Ausweis, und immer hatte er des nachts den Großen Wagen vor sich, sein Ziel. Nach einigen Wochen wurde es wärmer, er kam in südli­chere Gegenden. Plötzlich sah er einen ganz großen Stern, der ihn fast blendete. Es schien ihm, als sei dieser Stern viel näher als der Große Wagen. Den will ich mir zunächst ansehen, dachte er, an dem muss ich sowieso vorbei. Und weiter ging es. An vielen Kara­wanen vorbei, sogar an einer Kara­wane, in deren Mitte drei Könige auf ihren geschmückten Kamelen ritten.
Mit Macht zog es ihn immer weiter. Bald bin ich bei dem hellen Stern, dachte er. Da hörte er plötzlich eine Stimme, wie er sie noch nie vernommen hatte: „Wo willst du denn hin?“
Der Esel drehte sich um und sah in einem Stall ein Kind liegen, ein neuge­borenes Kind mit seinen Eltern. Er erschrak. Er wusste sofort, dass es ein besonderes Kind sein musste, denn es beherrschte die Esels­sprache.
„Zum Großen Wagen will ich“, sagte er.
Das Kind sagte: „Der ist nicht für dich bestimmt, den kannst du auch mit deinen Esels­kräften gar nicht erreichen. Aber du sollst ihn später einmal geschenkt bekommen, wenn du zurückgehst in dein Dorf und weiter deine Säcke trägst.“
Der Esel wunderte sich sehr. Aber dann wurde er so froh, wie er noch nie im Leben gewesen ist. In Windes­eile rannte er zurück in sein Dorf.
Zu Hause begrüßten ihn alle mit großer Herzlich­keit.
Die Alten freuten sich, aber besonders freuten sich die Kinder.
„Irgendetwas ist mit ihm vorgegangen“, sagte der Bauer nach einigen Tagen. „Gelegentlich bleibt mein Esel einfach stehen und rührt sich nicht von der Stelle. Weder gute Worte noch kleine Schläge helfen da weiter.“

So weit diese Geschichte. Mich berührt der Esel mit seinem großen Ziel. Mich berührt das Kind, dass den Esel neu ausrichtet auf seine ihm zugewiesene Aufgabe. Es beherrscht die Eselsprache. Es beherrscht auch meine Sprache. Ich will wie der Esel im Alltag innehalten, an das Kind im Stall denken und mich immer wieder neu ausrichten lassen.

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Umgedacht, neu gemacht https://kirche-suelze.de/umgedacht-neu-gemacht/ Mon, 20 Sep 2021 18:27:15 +0000 https://kirche-suelze.de/?p=4490

Wir haben am gestrigen Sonntag, dem 19. September, die erste Abend­mahls­feier seit 80 Wochen gehabt. Das fühlte sich großartig an! Der Kirchen­vorstand und ich haben uns gemeinsam darauf verständigt, das Abend­mahl bis auf Weiteres komplett auf Einzel­kelche umzustellen. Dazu war einiges an Umdenken nötig.

Nach dem letzten gemein­samen Abend­mahl am 1. März 2020 war andert­halb Jahre lang corona­bedingt nichts mehr möglich. Am Karfreitag 2021 gab es zwar bei uns ein Abend­mahl zum Mitnehmen sowie eine Audio-Andacht für zuhause, und auch während unserer Konfirmations­gottesdienste boten wir den Konfirman­dinnen und Konfir­manden im kleinen Kreis das Abendmahl an. Aber mit der ganzen Sonntags­gemeinde in der Kirche war das lange zu risikoreich.

Nach unserer früheren Regelung bestanden die Elemente der Abend­mahls­feier aus gebackenen Brot­kügelchen und einem Gemein­schafts­kelch mit Wein, der von allen Teil­nehmenden zum Mund geführt wurde. Wer aus persönlichen Gründen einen Einzelkelch mit Traubensaft bevorzugte, konnte ihn sich von einem Tablett auf dem Tauf­stein nehmen. Jetzt haben wir 250 schlichte Einzel­kelche angeschafft und bieten in ihnen nur noch Traubensaft an. So können auch Alkohol­kranke und Menschen, die Medika­mente nehmen müssen, ohne Einschränkung mitmachen. Der wesent­lichste Aspekt ist jedoch die Hygiene. Durch Corona hat sich unser aller Hygiene­bewusst­sein stark verändert. Der Gedanke, mit anderen zusammen aus einem Kelch zu trinken, ist in weite Ferne gerückt. Man kann das aus inhalt­lichen Gründen bedauern, aber es ist eine Tatsache.

Wichtig war unserem Team der Gedanke, dass der Kelch, den Jesus herum­reichte mit den Worten „Nehmt und trinkt alle daraus“, jetzt nicht unwichtig oder gar unsichtbar wird. Der erste Plan war deshalb, unseren schönen großen Kelch (siehe Foto) durch einen Einsatz mit Tülle zu einem Gieß­kelch umzu­funktio­nieren. So hätte der Trauben­saft aus einem einzigen Kelch in die Einzel­kelche eingeschenkt werden können – die inhaltlichen Aspekte „alle aus einem Kelch“ und „Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern“ wären gewahrt geblieben. Ein Einsatz-Rohling aus lebensmittel­echtem Kunststoff war auch bereits in einem professio­nellen 3-D-Drucker entstanden und stand bereit. Er war allerdings noch nicht ganz ausgereift und bereitete in der Hand­habung etwas Probleme. Wichtig war ja, dass beim Ausschenken keine Miss­geschicke passieren können, denn Traubensaft­flecken auf Kleidung sind schlecht zu entfernen.

Durch die Konfirmationen kam uns jedoch noch eine andere Idee, die wir nun gestern mit Erfolg in der Gottes­dienst­gemeinde ausprobiert haben. Ich habe große Edelstahl­tabletts besorgt und eine freundliche Firma gefunden, die mir binnen eines Tages aus schwarzem Acrylglas Einsätze mit Löchern dafür gefräst hat. Durch die Einsätze stehen die Einzel­kelche sicher und können nicht verrutschen, und der große Kelch findet seinen Platz in einer Aus­sparung in der Mitte. Beim Austeilen hatte ich nun das gesamte Tablett in der Hand, der gesegnete Kelch stand in der Mitte, die bereits gefüllten Einzel­kelche drum herum, und alle Teilneh­menden konnten sich einen Einzel­kelch nehmen. Die Abstände der kleinen Kelche auf dem Tablett sind so berechnet, dass man beim Zugreifen die anderen Kelche nicht berühren kann.

Dieses Verfahren hat sich sehr stimmig angefühlt. Dadurch, dass der gesegnete große Kelch und die kleinen Kelche auf einem gemein­samen Tablett stehen, gehören sie zusammen. Es entsteht derselbe Eindruck, wie er durch das Ausschenken aus dem großen Kelch entstanden wäre. Nur dass jetzt das Gießen wegfallen kann. Damit erübrigt sich zum einen die Frage, wer eigentlich vor dem Ein­gießen die kleinen Kelche austeilt, und zum anderen geht die Aus­teilung nun reibungsloser und organischer vonstatten.

Konkret haben wir es gestern so gemacht: Die Teilnehmenden bildeten in Gruppen von 10 bis 12 Personen einen Halb­kreis vor dem Altar. Abstände waren gegeben. Ein Kirchen­vorsteher verteilte mittels einer Gebäck­zange die Brot­kügelchen, ich selbst mittels Tablett die Einzel­kelche. Nach Essen und Trinken konnten die Gäste ihren leeren Kelch auf einem Tablett auf dem Tauf­stein abstellen. Da die kleinen Kelche stapel­bar sind, ergibt sich auch bei großen Abend­mahls­gesellschaften künftig hier kein Platz­problem.

Was in der Schilderung recht technisch klingt, war im Vollzug sehr würdig, feierlich und schön. Etliche Gottes­dienst­besucherinnen und -besucher haben mir am Ausgang gesagt, wie sehr sie das Abend­mahl nach so langer Zeit genossen haben. Abend­mahl lebt vom inneren Geschehen, äußere Formen können sich ändern. Wir wollen in unserer Gemeinde unsere Praxis immer wieder auf den Prüf­stand stellen. Sagen Sie mir, was Sie von unserer neuen Abend­mahls­form halten! Am besten, Sie nehmen bei nächster Gelegen­heit teil und lassen es auf sich wirken.

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