Diese drei Worte bilden eine Verteidigungsrede für die Menschheit. Um das Bild einer Gerichtsverhandlung zu gebrauchen: Sie sind wahrscheinlich das einzig stichhaltige Plädoyer für uns Menschen. Dieser Anwalt redet nicht nur, er setzt sich mit seinem eigenen Leben für seine Klienten ein. Seine Verkündigung und sein Tun sind eine vollkommene Einheit.
„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ So tritt Jesus als Anwalt der Menschheit auf, ohne auf Unschuld zu plädieren – das wäre angesichts der Fakten unmöglich. Sein Plädoyer lautet vielmehr: „Vater, vergib ihnen!“ Er fordert keinen Freispruch aufgrund fehlender Beweise, denn die Beweislage ist überwältigend. Als wahrhaftiger Anwalt strebt er nicht nach mildernden Umständen. Wir haben alle genug auf dem Kerbholz, aber wir hoffen immer, dass uns von irgendwoher und irgendwie und irgendwann mildernde Umstände zugebilligt werden.
Nein, dieser Anwalt plädiert auf etwas, das völlig anders ist als unsere üblichen Erwartungen und Vorkehrungen und vielleicht am ehesten einer Amnestie ähnelt: Er plädiert auf Vergebung! Vergebung kommt in juristischen Verfahren normalerweise nicht vor. Was soll das sein vor Gericht: Vergebung? Aber für unsere Lebensgrundlage als Menschen ist dies die einzige tragfähige Basis. Neu anfangen auf bereinigter Flur. Hinter uns lassen, was wir sonst ständig mit uns herumschleppen müssten. Als freie, begnadete Menschen ein getrostes Leben führen.
Diese Grundlage legt Jesus für uns. Der Verbrecher neben ihm erfährt diese Liebe am eigenen Leib: „Wahrlich, ich sage dir: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ Heute – das meint keinen Tag im Kalender.
Das meint: Jetzt bist du frei und unbelastet, jetzt bist du deine Schuld los, jetzt hast du eine neue Unschuld. Was sich zwischen Jesus und diesem anderen Gekreuzigten abspielt, lässt einen vor Rührung und Scham verstummen. „Wahrlich, ich sage dir: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ Da bleiben einem die leichten Selbstrechtfertigungen im Halse stecken. Das Paradies ist ein wunderschönes Bild. Der Ort derer, die vor Gott in Freiheit und Freude leben, freigesprochen von all ihrer Last und Schuld.
Gegen Ende seines Leidens am Kreuz sagt Jesus: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Das lebt vom völligen Vertrauen. Kein Graben ist hier zu erkennen, sondern nur Einheit und Verbundenheit. Jesus hat uns den Weg frei gemacht, dass wir ihm dieses Wort nachsprechen können in der Stunde unseres Sterbens. Die Vergebung wartet auf uns. Darum ist es gut, wenn wir dies dritte Kreuzeswort auswendig wissen. Es wird einmal unser wichtigstes Wort sein.
Vollkommene Einheit herrscht in jenem Plädoyer für die Menschheit zwischen dem Wort und dem persönlichen Einsatz des Anwalts. Er hält sein Plädoyer, obwohl ihm sein Klient dauernd das Mandat entziehen will und höhnische Ratschläge gibt: „Steig herab vom Kreuz! Hilf dir selbst!“ Der Anwalt hält durch. Seine Antriebskraft ist die Liebe. Jesus hat kein böses Wort für die Jünger, die ihn im Stich lassen. Nicht einmal für den Übeltäter, der sich über ihn lustig macht.
„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“
Drei Worte, die den Karfreitag zu Recht zu einem der höchsten christlichen Feiertage machen.