Gerüchte verbreiten sich schnell. „Falsch Zeugnis reden“ nennt die Bibel das. Christen sollen sich nicht an Klatsch und Tratsch beteiligen, das ist klar. Es gibt allerdings eine wichtige Unter­scheidung: Niemand darf zum Beispiel davon abgebracht werden, sexuellen Missbrauch anzuzeigen mit dem Argument, man solle nur Gutes über andere berichten oder den Mund halten. Wer versucht, Opfern einzureden, sie müssten den Tätern vergeben und alles auf sich beruhen lassen, macht sie zum zweiten Mal zu Opfern. Genauso ist es mit Kritikern, die Miss­stände an die Öffent­lichkeit tragen, in der Absicht, diese zu beseitigen. Auch sie dürfen nicht mit dem Holzhammer „du redest schlecht über andere“ zum Schweigen gebracht werden.

Wo aber liegt der Unterschied zwischen Klatsch auf der einen Seite und dem berechtigten Kampf gegen falsches oder kriminelles Verhalten auf der anderen Seite?

Die Definition von Klatsch sieht so aus: Klatsch ist ein im Ton der Vertrau­lichkeit vorge­brachtes schlechtes Reden über eine andere Person, das nicht dadurch motiviert ist, etwas zu ändern oder dieser Person Gutes zu tun, sondern ihr zu schaden. Das Entscheidende daran ist, dass die weiter­erzählende Person das Weiter­erzählen genießt. Klatsch wird zu Klatsch nicht durch den Inhalt des Erzählten, sondern durch die Motivation beim Erzählen: den eigenen Egoismus. Diese Definition zeigt, dass der Inhalt nicht einmal falsch sein muss. Es kann etwas Richtiges sein, das wir weiter­erzählen. Das Weiter­erzählen wird dadurch zu Klatsch, dass wir unsere Eitel­keit befriedigen; wenn wir über andere Schlechtes zu sagen haben, stehen wir selber besser da. Selbst ein Fürbitten­gebet, das jemand in einer Gemeinde­gruppe spricht, kann unter Umständen eine sehr ungeistliche Motivation haben und dem eigenen Ego schmeicheln. Bevor wir über andere reden, tun wir also gut daran, unser Herz zu prüfen und uns daran zu erinnern, dass Gott unsere wahren Beweg­gründe kennt.

Kein Klatsch ist es dagegen, erlittenes Unrecht jemandem anzuvertrauen, der helfen kann. Dabei geht es nicht um Eitelkeit, sondern um den Wunsch nach Änderung und Abhilfe. Ebenfalls kein Klatsch ist es, andere vor einem manipu­lativen oder hinter­listigen Menschen zu warnen, um sie zu schützen. Der Apostel Paulus hat in seinen Briefen mehrfach solche Warnungen ausgesprochen. Wer Unge­rechtigkeit oder Missbrauch erlebt hat, hat jedes Recht der Welt, den Mund aufzumachen und zu kämpfen, ohne dafür von bestimmten Kreisen der „Verbrei­tung von Gerüchten“ beschuldigt zu werden – das sieht auch die Bibel so. Im Macht­gefüge der Wirtschaft, in der Politik und leider auch in der Kirche haben Mutige, die ihre Meinung sagen, die Erfahrung gemacht, dass ihre berechtigte Kritik oft mit persönlichen Angriffen, mit Verleum­dungen und Ernie­drigungen beantwortet wird. Für die Kritisierten scheint es oftmals der leichteste Weg zu sein, die Kritikerin oder den Kritiker als verbitterte Person hinzustellen, die aus Frust einfach nur „Gerüchte“ verbreitet oder „schlecht über andere redet“. Aber so einfach ist das eben nicht.

Grundsätzlich gilt: „Du sollst nicht als Verleumder umhergehen unter deinem Volk“ (3. Mose 16,19). In den Briefen des Neuen Testaments heißt es: „Eine Klage über einen Gemeindeleiter höre nur an, wenn sie von zwei oder drei Zeugen bestätigt wird.“ Jesus selbst weist uns an, zunächst das Gespräch unter vier Augen zu suchen, dann Zeugen dazuzuholen und erst zum Schluss den Kreis der Gemeinde einzuschalten. Nirgends soll leichtfertig geklatscht und getratscht werden. Es ist gut, wenn Christen sich daran halten, auch und gerade in den sozialen Medien. Denn wer grund­sätzlich taub ist gegenüber Gerüchten, der hat dann ein besonders waches Ohr, wenn Menschen die Wahrheit sagen oder Hilfe suchen. Ich bemühe mich, Informationen aus zweiter Hand über andere Menschen zu ignorieren oder zumindest gleich nachzufragen: „Wer sagt das?“ Nicht immer gelingt mir das. Manchmal verführt mich Eitelkeit selber zum Tratschen. Deshalb möchte ich mich anschließen, wenn der Beter im Psalm 141 betet: „Herr, stelle eine Wache vor meinen Mund und hüte das Tor meiner Lippen!“

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