(Eine fiktive Geschichte, entstanden aus einer Schreibwerkstatt)

Ich sitze in meinem Auto auf dem Weg nach Hause, einem weißen Ferrari. Wenn es nach mir ginge, würde ich lieber einen kleinen Opel oder Ford fahren, so wie es alle Fahr­anfänger tun. Mein Vater jedoch zeigt lieber, was er in den Taschen hat, sodass es mich nicht wunderte, als er mir an meinem Acht­zehnten die Auto­schlüssel für diesen Wagen über­reichte.

Ich komme nicht gut mit meinem Vater klar, er scheint sich zu bemühen, jedoch nicht auf eine Art, die ich für richtig halte. Ich bin nicht käuflich wie wahr­scheinlich der Rest der Leute, mit denen er zu tun hat. Doch das scheint er einfach nicht zu verstehen, wie das neue Auto es beweist. Er versucht zwar auch oft, Zeit mit mir zu verbringen, jedoch hasse ich das. Er kennt mich nicht, kein Stück, und jetzt werde ich mich ihm auch nicht mehr öffnen.

Mit meiner Mutter verstand ich mich immer gut, sehr viel besser als mit meinem Vater. Seit sie jedoch vor einigen Jahren bei einem Auto­unfall gestorben ist, habe ich mir keine Mühe mehr gegeben, die Beziehung zu meinem Vater zu retten. Ihr Tod schmerzt immer noch sehr, und es scheint, als wollte mein Vater diese Lücke füllen. Ich blocke ihn jedoch, so gut es geht, ab. Immer wenn ich bei ihm bin, muss ich an meine Mutter denken, und den Schmerz ertrage ich einfach nicht.

Es ist ein wirklich angenehmer später Sommer­abend. Die Sonne geht gerade unter, und der Himmel strahlt in einer Mischung aus lila, orange und gelb. Die Farbenpracht fasziniert mich so sehr, dass ich einen Moment nicht auf die Straße achte. Als mein Blick über die Bäume des kleinen Wäldchens, auf das ich zufahre, wieder auf die Straße wandert, muss ich eine Voll­bremsung hinlegen, denn vor mir auf der Straße sitzt plötzlich eine schwarze Baby­katze. Zum Glück hat das Auto einiges auf dem Kasten und stoppt abrupt. Ich springe aus dem Auto und überprüfe, ob es dem Kätzchen gut geht. Es scheint alles in Ordnung. Da ich keine weitere Katze entdecken kann und weiß, dass hier im Umkreis kein Haus oder Hof steht, beschließe ich, das Kätzchen auf den Arm zu nehmen. Ich halte mein T-Shirt am Saum, setze es hinein und beschließe die Mutter des Tieres zu suchen.

Gerade als ich loslaufen will, springt ein Fuchs aus dem Busch direkt neben mir und knurrt mich an. Ich erschrecke so sehr, dass ich meinen T-Shirt-Saum loslasse und die Katze zu Boden fliegt. O Gott, ich habe die Katze fallen gelassen! Was bin ich nur für ein Mensch – ich habe sie soeben ihrem Tod überlassen! Toll, das hab ich ja wieder perfekt gemeistert! Ich überlege gerade, ob ich wirklich so leicht­sinnig sein sollte, mich zwischen Fuchs und Katze zu stellen, als das wirklich Unglaubliche passiert.

Der Fuchs geht nicht auf die Katze los, nein, sie scheinen sich zu kennen. Mehr noch, das kleine Kätzchen scheint dem Fuchs zu vertrauen. Dann verstehe ich. Der Fuchs will das Kätzchen beschützen. Ein kleiner Fuchs erscheint und springt zu dem Kätzchen. Beide laufen darauf zu der Füchsin, offenbar der Mutter, und alle drei verschwinden.

Ich setze mich wieder ins Auto und lasse das Gesche­hene nachwirken. Obwohl Fuchs und Katze so ver­schieden sind, ja eigentlich Feinde, hat der Fuchs die Katze nicht getötet, sondern ihr in der Not geholfen und sie gerettet. Dass sie verschieden sind, scheint keinen der beiden zu stören, sie kommen sogar sehr gut mitein­ander klar. Und es scheint nicht so, als würde die Katze ein Problem damit haben, nicht die perfekte Mutter oder den perfekten Vater zu haben. Nein, die Katze erkennt ihr Glück, dass sie jemanden hat, der sich um sie sorgt und der sich viel Mühe gibt, für sie da zu sein und ihr das Beste zu ermöglichen. Ist dieses kleine Kätzchen wirklich mutiger als ich?

Ich starte das Auto. Doch anstatt nach Hause zu fahren, wende ich und mache mich auf den Weg zu meinem Vater.

„Lasst uns aufeinander Acht geben und uns gegenseitig zur Liebe und zu guten Taten anspornen. Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist, sondern ermutigt und ermahnt einander.“ (Hebräer 10,24–25)

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