Schnell ist gut, lang­sam ist schlecht. Keiner spricht es so deutlich aus, aber in unseren Köpfen ist diese Regel fest verankert. Alles muss schnell gehen. Die alte Tugend Geduld hat einen schweren Stand.

Ein ICE-3 mit einer Spitzen­geschwindigkeit von über 300 km/h ist beein­druckend. Wenn jemand bei einer spontanen Hunger­attacke auf „Fast Food“ zugreifen kann, freut er sich. Eine Bestel­lung, die nicht wochen­lang auf sich warten lässt, macht gute Laune. Warum spricht die Bibel dann davon, dass es „köstlich“ ist, Geduld zu haben?

„Es ist ein köstlich Ding: geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen.“ (Klagelieder 3,26)

Es gibt Dinge im Leben, die man nicht beschleu­nigen kann, egal wie eilig man es hat. So richtig es ist, dass man nicht zögerlich sein soll und Gelegen­heiten beim Schopf packen muss, so richtig ist es auch, dass es Situa­tionen gibt, in denen man einfach nichts machen kann. Der Trick ist, dann umzu­schalten vom Leidens­modus in den Gedulds­modus. Im Leidensmodus führe ich mir ständig vor Augen, was mir fehlt und was ich gern hätte. Im Gedulds­modus gebe ich die Sorge an den Herrn ab und richte mich auf eine unbe­stimmte Zeit des Mangels ein. Statt mir vor Augen zu führen, was ich nicht habe, denke ich an den Gewinn, den das Warten hat. Diese Phase hat ihren Grund, und seine Hilfe wird kommen!

In der Nacht hatte es geregnet, gegen Morgen kam der Frost. Der Strauch vor dem Haus war erstarrt. Ein Panzer aus glas­klarem Eis umschloss jeden Zweig, den Stiel und den Ansatz von Knospen. Der Strauch tat der jungen Frau leid. Sie nahm einen einzelnen Zweig in die Hand, taute ihn mit ihrer Wärme auf, kratzte mit dem Finger­nagel die letzten Spuren von Eis weg und hauchte ihn mit dem Atem trocken. Sie freute sich, diesen einen Zweig aus der Starre erlöst zu haben. In der nächsten Nacht wurde es noch kälter. Als der Frühling kam und der Strauch blühte, war ihr geret­teter Zweig als einziger tot.

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