Worum dreht sich unser Leben als Christin oder Christ? So banal es klingt, es dreht sich um Beziehung, Beziehung, Beziehung. Vielleicht suchen Menschen, die mit Christus unterwegs sind, eigentlich etwas anderes: Glauben, Trost, Zuversicht, Wachstum und besondere Erfahrungen. Aber der Weg zu fast allen diesen Dingen führt über gute Beziehungen. Ich rede nicht davon, dass viele Leute denken, der Begriff „christlich“ sei sowieso ein anderes Wort für „nett“. Es geht um den Grundsatz, dass unser Glauben sichtbar und erlebbar wird im Umgang mit anderen Menschen. Unser Umgang mit andern verkörpert unsern Glauben, er ist seine Probe, sein Bewährungsfall.
Jesus hat guten Beziehungen die höchste Priorität eingeräumt. Deshalb sollten sie auch für uns ganz oben stehen.
Als Jesus nach den wichtigsten Lebensregeln und Geboten gefragt wurde, hat er nicht mit dem Erwartbaren geantwortet. Er hat nicht verlangt, häufiger in die Synagoge zu gehen, die heilige Schrift öfter zu lesen oder länger und intensiver zu beten. All das war ihm wichtig, er hat es selbst praktiziert und auch dafür geworben. Aber bei der Frage nach den wichtigsten Lebensregeln, nach einer Kurzfassung für Eilige, hat er die Liebe immer an die erste Stelle gesetzt: „Liebt Gott von ganzem Herzen und gleichzeitig euren Nächsten wie euch selbst.“ „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ „Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes.“ „Liebt eure Feinde, betet für die, die euch verfolgen, tut Gutes denen, die euch hassen.“
Die typischen Ausdrucksformen von Religion – die Bibel lesen, in die Kirche gehen, beten – sind nur ein kleiner Teil unserer Gottesbeziehung. Der viel größere ist Beziehungsarbeit mit Menschen. Gott legt auf eine einzige Sache wirklich Wert: dass wir die Liebe lernen, immer mehr, immer weiter, immer ernsthafter, immer herzlicher. Nicht nur diese Woche oder nächsten Monat, sondern immerzu, ohne Ende.
Und da beginnt der christliche Weg, unbequem zu werden. Er entpuppt sich als Gegenprogramm zu vielen angenehmen Wellnessbotschaften. Dieser Weg ist steinig.
Man braucht nur ein paar Sekunden in sich zu hören, und es fällt einem mindestens eine Person ein, an die man nicht mit Liebe denken möchte. Persönlich verletzt worden zu sein, hinterlässt Spuren. Es erscheint geradezu abwegig, dass diese Person eine neue Bemühung von mir verdient hätte. Das kann Gott nicht wirklich verlangen, bei allem, was ich einstecken musste!
Dagegen scheint es uns völlig selbstverständlich, dass Gott uns liebt, und wir finden gar nichts dabei. Wenn wir aufrechnen wollten: Hätten wir das denn verdient? Vielleicht sollten wir eher daran denken, dass Jesus sogar noch liebte, als er schon am Kreuz hing. Er flehte für seine Mörder: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Es ist Zeit für neue Anfänge in christlicher Beziehungsarbeit. Dazu gehört die Einsicht, dass wir nicht zu entscheiden haben, wer Liebe verdient und wer nicht. Wir müssen lernen, grundsätzlich in der Liebe zu leben, wie Jesus es uns gelehrt hat. Manchmal wird es uns gelingen, die eigenen Vorbehalte zu überwinden. Das fühlt sich großartig an und vielleicht haben wir sogar Erfolg damit. Eine Beziehung, die schwer angeknackst war, kommt wieder in Ordnung. Ein anderes Mal wird es nicht klappen und es geht eher darum, nicht noch mehr Schaden anzurichten und stattdessen die Spirale des Hasses zu unterbrechen. Das ist dann im Augenblick genug. Es ist das Maximum, das wir manchmal erreichen können.
Unsere Feinde sollten jedenfalls nicht länger durch unsere Zutun unsere Feinde sein. Vielleicht bleiben sie weiterhin gegen uns eingestellt. Das können wir nicht verhindern. Aber wir wollen nicht aktiv zu dieser zerbrochenen Beziehung beitragen. Wenn sich jemand mir gegenüber feindlich verhält, bedeutet das nicht, dass ich meinerseits in dieser Person eine Feindin oder einen Feind sehen muss. Ich muss die Feindseligkeit nicht heimzahlen. Ich kann anders handeln. Es ist ein steiniger Weg – aber der Weg von Jesus Christus.
Dass die Zeit alle Wunden heilt, darauf möchte ich nicht warten. Ich kann ganz bewusst, mit Absicht und Vorsatz, zur Heilung beitragen. Also los! Beginnen wir gemeinsam mit einer Liebesinitiative, wie sie unsere Welt noch nicht gesehen hat! Lieben wir vorsätzlich und nachhaltig, kreativ, unerwartet und bedingungslos! Viele zerbrochene Beziehungen warten auf uns.