Wir haben am gestrigen Sonntag, dem 19. September, die erste Abend­mahls­feier seit 80 Wochen gehabt. Das fühlte sich großartig an! Der Kirchen­vorstand und ich haben uns gemeinsam darauf verständigt, das Abend­mahl bis auf Weiteres komplett auf Einzel­kelche umzustellen. Dazu war einiges an Umdenken nötig.

Nach dem letzten gemein­samen Abend­mahl am 1. März 2020 war andert­halb Jahre lang corona­bedingt nichts mehr möglich. Am Karfreitag 2021 gab es zwar bei uns ein Abend­mahl zum Mitnehmen sowie eine Audio-Andacht für zuhause, und auch während unserer Konfirmations­gottesdienste boten wir den Konfirman­dinnen und Konfir­manden im kleinen Kreis das Abendmahl an. Aber mit der ganzen Sonntags­gemeinde in der Kirche war das lange zu risikoreich.

Nach unserer früheren Regelung bestanden die Elemente der Abend­mahls­feier aus gebackenen Brot­kügelchen und einem Gemein­schafts­kelch mit Wein, der von allen Teil­nehmenden zum Mund geführt wurde. Wer aus persönlichen Gründen einen Einzelkelch mit Traubensaft bevorzugte, konnte ihn sich von einem Tablett auf dem Tauf­stein nehmen. Jetzt haben wir 250 schlichte Einzel­kelche angeschafft und bieten in ihnen nur noch Traubensaft an. So können auch Alkohol­kranke und Menschen, die Medika­mente nehmen müssen, ohne Einschränkung mitmachen. Der wesent­lichste Aspekt ist jedoch die Hygiene. Durch Corona hat sich unser aller Hygiene­bewusst­sein stark verändert. Der Gedanke, mit anderen zusammen aus einem Kelch zu trinken, ist in weite Ferne gerückt. Man kann das aus inhalt­lichen Gründen bedauern, aber es ist eine Tatsache.

Wichtig war unserem Team der Gedanke, dass der Kelch, den Jesus herum­reichte mit den Worten „Nehmt und trinkt alle daraus“, jetzt nicht unwichtig oder gar unsichtbar wird. Der erste Plan war deshalb, unseren schönen großen Kelch (siehe Foto) durch einen Einsatz mit Tülle zu einem Gieß­kelch umzu­funktio­nieren. So hätte der Trauben­saft aus einem einzigen Kelch in die Einzel­kelche eingeschenkt werden können – die inhaltlichen Aspekte „alle aus einem Kelch“ und „Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern“ wären gewahrt geblieben. Ein Einsatz-Rohling aus lebensmittel­echtem Kunststoff war auch bereits in einem professio­nellen 3-D-Drucker entstanden und stand bereit. Er war allerdings noch nicht ganz ausgereift und bereitete in der Hand­habung etwas Probleme. Wichtig war ja, dass beim Ausschenken keine Miss­geschicke passieren können, denn Traubensaft­flecken auf Kleidung sind schlecht zu entfernen.

Durch die Konfirmationen kam uns jedoch noch eine andere Idee, die wir nun gestern mit Erfolg in der Gottes­dienst­gemeinde ausprobiert haben. Ich habe große Edelstahl­tabletts besorgt und eine freundliche Firma gefunden, die mir binnen eines Tages aus schwarzem Acrylglas Einsätze mit Löchern dafür gefräst hat. Durch die Einsätze stehen die Einzel­kelche sicher und können nicht verrutschen, und der große Kelch findet seinen Platz in einer Aus­sparung in der Mitte. Beim Austeilen hatte ich nun das gesamte Tablett in der Hand, der gesegnete Kelch stand in der Mitte, die bereits gefüllten Einzel­kelche drum herum, und alle Teilneh­menden konnten sich einen Einzel­kelch nehmen. Die Abstände der kleinen Kelche auf dem Tablett sind so berechnet, dass man beim Zugreifen die anderen Kelche nicht berühren kann.

Dieses Verfahren hat sich sehr stimmig angefühlt. Dadurch, dass der gesegnete große Kelch und die kleinen Kelche auf einem gemein­samen Tablett stehen, gehören sie zusammen. Es entsteht derselbe Eindruck, wie er durch das Ausschenken aus dem großen Kelch entstanden wäre. Nur dass jetzt das Gießen wegfallen kann. Damit erübrigt sich zum einen die Frage, wer eigentlich vor dem Ein­gießen die kleinen Kelche austeilt, und zum anderen geht die Aus­teilung nun reibungsloser und organischer vonstatten.

Konkret haben wir es gestern so gemacht: Die Teilnehmenden bildeten in Gruppen von 10 bis 12 Personen einen Halb­kreis vor dem Altar. Abstände waren gegeben. Ein Kirchen­vorsteher verteilte mittels einer Gebäck­zange die Brot­kügelchen, ich selbst mittels Tablett die Einzel­kelche. Nach Essen und Trinken konnten die Gäste ihren leeren Kelch auf einem Tablett auf dem Tauf­stein abstellen. Da die kleinen Kelche stapel­bar sind, ergibt sich auch bei großen Abend­mahls­gesellschaften künftig hier kein Platz­problem.

Was in der Schilderung recht technisch klingt, war im Vollzug sehr würdig, feierlich und schön. Etliche Gottes­dienst­besucherinnen und -besucher haben mir am Ausgang gesagt, wie sehr sie das Abend­mahl nach so langer Zeit genossen haben. Abend­mahl lebt vom inneren Geschehen, äußere Formen können sich ändern. Wir wollen in unserer Gemeinde unsere Praxis immer wieder auf den Prüf­stand stellen. Sagen Sie mir, was Sie von unserer neuen Abend­mahls­form halten! Am besten, Sie nehmen bei nächster Gelegen­heit teil und lassen es auf sich wirken.

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